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Konfliktstoff: Mobilität der Zukunft

Eine Wende voller Schleichwege, Missverständnisse und Chancen für Lösungen

Mindestens so komplex wie die chemische Zusammensetzung von Benzin ist die öffentlich geführte Debatte zum Thema Mobilität. Geht es um unser Auto, geht es für viele gleichzeitig um ein Herzensthema, in das wir stark emotional involviert sind.

Laut DAT Report 2023 freuen sich 75 Prozent der Befragten regelrecht jedes Mal, wenn sie ihr Auto sehen. Autofahren macht Spaß und schenkt Freiheit.

Streitvögel 

My car. My castle.

Quelle: Chris Sabor via Pexels

Nun ist Benzin bewiesenermaßen kein zukunftssichernder Rohstoff für unsere Fortbewegung und den Fortbestand unserer Umwelt. Weshalb wir hitzig über Rad, ÖPNV, Auto, Sharing und Elektromobilität diskutieren. Alternativen, die Klimaschutz an erste Stelle stellen und dabei Komfort und Freiheit nicht vernachlässigen sollen. In der Realität – also auch bei Projekten, die wir begleiten – prallen Welten aufeinander.

Konflikte zwischen Auto- und Radfahrern, die sich beide über mangelnden Platz und Falschparker beschweren. Zwischen Anwohner*innen, die Parkplätze brauchen & Menschen, die stattdessen lieber mehr Grün in der Stadt hätten. Laute Meinungen zu den über Jahren tendenziell kaputtgesparten Infrastrukturen der öffentlichen Verkehrsmittel – geschlossene Bahnhöfe und Schienen, die im Nirgendwo enden. Hübsche, ruhige Ortschaften, die als Abkürzung genutzt werden. Schleichwege, die während der Rushhour zur Hauptverkehrsader werden. Fehlende Ladesäulen, teure Ticketpreise für umweltschonende Mobilitätsformen.

Für das Rad solange ich selbst Rad fahre

In unserem Alltag wechselt wahrscheinlich jeder von uns mehrfach selbst die Perspektive. Mit dem Aufsetzen des Helms werden wir zu Verfechtern der Radmobilität. Die Fahrradwege empfinden wir als zu schmal oder als gänzlich zu schlecht ausgebaut. Autos parken auf unseren Wegen und zwingen uns in gefährliche Situationen. Autofahrer reißen die Türen ihres parkenden Pkws auf und stehen in einem Bruchteil einer Sekunde auf unserem Weg. Das bedrohende Abbiegen von Lkws, fehlende Verkehrsführungen und Alternativen zu den überfüllten, abgasbelasteten Straßen lassen uns ärgerlich und von autofreien Innenstädten träumend an unserem Ziel ankommen.

Wieder unterwegs, diesmal mit dem Autoschlüssel in der Hand, um einen längeren Weg zu überbrücken, regen wir uns über die Radfahrer auf, die zu viel Platz auf der Straße für sich behaupten. Darüber, dass sie nicht gucken, bevor sie fahren. Über die wuchernden Spritpreise, die wenigen verfügbaren Parkplätze. Und dann noch die Überlegung eines Tempolimits?

Scheint, als wäre es bei keinem anderen Thema so einfach, die Perspektive zu wechseln. Unsere Vielseitigkeit beim Benutzen von Bus, Bahn, Flugzeug, Fahrrad, Auto befeuert nur nicht so recht unser Verständnis füreinander.

Mobilität ist kein Selbstzweck. Sie ermöglicht uns, Bedürfnisse zu stillen. Zum Beispiel den Besuch von Freunden oder anderweitig am gesellschaftlichen Leben teilzunehmen. Je nach Verkehrsmittel kann dann noch ein Zusatznutzen entstehen. Etwa in Form von Me-Time: Ich kann bei der Fahrt Musik hören, die Gedanken schweifen lassen oder mit meinem Auto einen bestimmten Status kommunizieren. Beim Fahrradfahren kann der Zusatznutzen körperliche Bewegung, frische Luft oder das Stilisieren einer Lebensweise sein. Je nach Nutzergruppe sind die Anforderungen unterschiedlich ausgeprägt. Personen mit eng getaktetem Alltag brauchen ein zuverlässiges, zeiteffizientes Unterwegssein - andere legen mehr Wert auf Komfort und Zeitqualität.

Laura Gebhardt vom DLR-Institut für Verkehrsforschung im ntv Interview

Dimension Verkehr

Unsere Art der Fortbewegung ist eng mit unseren Bedürfnissen verbunden, wofür Stadt, Land & Verwaltung zu wenige zufriedenstellende Lösungen gefunden haben. Es gibt sie schon, die Pioniere der guten Beispiele, wie die Lincoln-Siedlung in Darmstadt oder andere, wie die vom VCD publizierte Vorzeigeprojekte. All diesen ist gemein, dass sie in der Regel auf intensiver Beteiligung, Information und Dialog basieren.

Schauen wir mal als Kokonsult auf uns selbst: Business Reisen sind bei uns oft damit verbunden, Material mitzunehmen, zeitlich flexibel zu sein und auch zu extrem frühen oder späten Zeiten reibungslos ans Ziel zu kommen.

Jede Reise hat einen Grund und stellt damit eine Anforderung an unser Mobilitätsverhalten: Wir haben viel Gepäck, Technik, müssen unterwegs arbeiten, haben Kinder dabei, einen Rollstuhl, können wegen körperlicher Voraussetzung nicht in zwei Minuten den anderen Zug erreichen.

Alles individuelle Anforderungen, die es gilt im Kosmos Mobilitätswende unter einen Helm zu bringen!
Verkehrsdialog Landau Februar 2023
Verkehrsentwicklungsplan Offenbach 2022/23

Ja, es ist komplex. Und genau deswegen sollten wir weiter darüber reden.

Bei Mobilität geht es nicht in erster Linie um ein oder mehrere Projekte, sondern um einen komplexen Prozess. Eine Veränderung, die nicht losgelöst von der Bevölkerung betrachtet werden sollte. Die starke Konfliktdynamik braucht mediative Ansätze, die auf Grundlage fachlicher Klarheit Perspektivwechsel anregen. Gemeinsam können wir auf unsere Erfahrungen als Rad-, Autofahrer*in und ÖPNV Nutzer*in sehen.

Ideal ist es deshalb, präventiv zu denken und frühzeitig in einem dialogischen, fachlichen und partizipativen Prozess Kommunikations- und Beteiligungsstrategien zu entwickeln, die auf Nachhaltigkeit und Kreativität setzen.

Jede Stadt braucht ihren passenden Handwerkskoffer, um eine gemeinsame Entwicklung interessen- und lösungsorientiert gestalten zu können. Der Handwerkskoffer sollte gefüllt sein mit unterschiedlichen Instrumenten – abhängig von der konkreten Situation und Analyse.

Beim VEP Offenbach nutzten wir so zum Beispiel mehrere Mobilitätsforen in unterschiedlichen Stadtteilen, um unsere identifizierten Zielgruppen zu finden und möglichst komfortable für eine Beteiligung bei sich vor Ort begeistern zu können. Die analogen Formate ergänzten wir durch kartenbasierte Online Tools wie z.B. Maptionnaire.

Bei Mobilitätsthemen geht es um neue Erfahrungen und gemeinsames Lernen. Deshalb sind Lösungen auch auszuprobieren, zu testen, zu modifizieren. Erfahrungen sind reflektiert im Rahmen von Prozess-Supervisionen auszuwerten. Auch Verwaltung und Politik brauchen gemeinsame Vorstellungen für die Mobilität der Zukunft. Dadurch werden Innovationen möglich. Und diese werden unsere Zukunft sein.

Autorinnen: Kristina Oldenburg, Anne Cavalier

Quellen:
* Auch Gefühle spielen bei Mobilität eine Rolle, ntv, 19.02.2023:
https://www.n-tv.de/wissen/Helmholtz/Auch-Gefuehle-spielen-bei-Mobilitaet-eine-Rolle-article23924277.html
* DAT-Report 2023: Auto weiter emotionales Thema, bfd, 23.01.2023:
https://www.fuhrpark.de/dat-report-2023-auto-weiter-emotionales-thema

Titelbild via PEXELS von Ishan @seefromthesky

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