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Gesellschaft und Land

Treffpunkte der Zukunft

Über die Bedeutung von Begegnungsorten und warum wir dieses Thema so gerne beratend begleiten 

Was würde sich in unserer Gesellschaft verändern, wenn wir auf Begegnungen verzichten müssten?
Eine Frage, die wir nicht in der Theorie durchdenken müssen, sondern durch die langjährige weltweite Corona-Pandemie aus tiefstem Herzen mit eigenen Erfahrungen und Emotionen beantworten können: Es wäre einsam. Um uns herum wäre Stillstand. Keine treibende, inspirierende Kraft des Dialogs. Kein Augenkontakt ohne Kamera. Wenig Gemeinschaft. Wenig Neues und noch weniger Kennenlernen. Weniger Toleranz und weniger Perspektiven im eigenen Leben.

Auch ohne Ausnahmezustand scheint es schwerer zu werden, sich zu begegnen und über Gemeinsamkeiten zu verbinden. Esther Perel, Psychologin und Expertin für Beziehungen,  spekulierte in einem ihrer Webinare darüber, wo Beziehungen gerade überhaupt stattfinden würden, wenn viele Menschen neuerdings remote arbeiten, das Sportprogramm im Wohnzimmer machen, die Psychotherapie am Laptop, ebenso wie den Kochkurs; wenn der Einkauf und die Kleidung nach Hause geliefert werden. Und wenn auch die Hundetrainerin in den eigenen Garten kommt, verlassen wir unsere vier Wände selten, stehen ja aber dennoch mit Menschen in Kontakt. Durch Smartphones betreten wir eine virtuelle Welt und können uns mit weit entfernten Menschen verbinden, auch Freundschaften pflegen. Das Bedürfnis nach echten Menschen im echten Alltag kommt erstmal nicht auf; bis man eines Tages dann doch Nähe zu anderen lebendigen Nachbarn, Arbeitskolleg*innen und Mitstudierenden verspürt, die aber selbst noch in der „Quarantäne-Phase“ feststecken.

Das Leben hat sich geändert. Die Treffpunkte von früher gibt es häufig nicht mehr. Gleichzeitig wird der Wunsch nach Gemeinschaft bewusster.

Und mehr oder weniger plötzlich wird der kleine Vorstadtort nur noch von Kindern zusammengehalten, die sich morgens um 7:30 Uhr gemeinschaftlich auf den Weg zur Schule machen.

Dabei gäbe es sie doch, die Orte, die in früheren Zeiten als Treffpunkt genutzt wurden, um Großes und Kleines zu besprechen, Projekte zu planen oder einfach gesellige Momente zu verbringen: Gemeinschaftshäuser, Jugendclubs, Gemeinderäume, Feuerwehren, Dart-Clubs, Kirchen, Gaststätten …

Wiederbelebung der Vergangenheit – nicht so einfach

Nicht nur, dass diese Räumlichkeiten oft seit Jahren leer stehen und deswegen gezeichnet von der Zeit auch an Gemütlichkeit und Nutzbarkeit verloren haben, müssen sie heute oft vieles in sich vereinen, wofür es damals noch verschiedenste kleine Angebote gab.

Gut Wolletz
Foto: Robert Wunsch

In einem 100-Seelen-Ort in der Uckermark, in der ich groß geworden bin, gab es damals eine Krankenschwester, erzählte mir mein Vater erst gestern, die dafür sorgte, dass die Menschen eine direkte gesundheitliche Ansprechpartnerin vor Ort hatten. 

Es gab einen Konsum, eine Kneipe, eine kleine Schule, einen Jugendtreff, eine kleine Kapelle, einen Spielplatz, einen Brotbackofen auf dem Dorfplatz, eine Feuerwehr. 

Wolletz Backofen
Foto: R. Mundzeck

Es gab Dorffeste, Kinderfeste, Mondscheinfahrten im Kahn auf dem See, Osterfeuer, Sportfeste, Spieleabende. Nach Wegzug der Jugend und Abbau der Infrastruktur, werden heute mit viel Mühe und Initiative einige der Orte wiederbelebt.  

Für 100 Menschen gab es diese vielfältigen Begegnungsideen im Alltag, weil jedem*r bewusst war, dass es das ist, was große Bedeutung hat: Soziales Miteinander.

Wie schaffen wir es, das Grundverständnis von uns Menschen als soziale Wesen wieder in unserer Umwelt- und Raumplanung zu bestärken und auch in unserem täglichen Leben mehr Platz für Miteinander einzuräumen?

Und wie gelingt es uns, die vorhandenen „alten“ Räumlichkeiten zu diesem Zweck für alle Generationen wiederzubeleben?

Vielleicht, indem wir erfahren, dass viele Menschen genauso fühlen wie wir selbst und sich nach Gemeinschaft an geselligen Orten sehnen?! 

"Die meisten Menschen im Land wünschen sich eine gute gesellschaftliche Stimmung und Zusammenarbeit, 62 Prozent machen sich „regelmäßig Gedanken über den Zusammenhalt“. Genau dies sprechen wir anderen aber ab: Nur 30 Prozent glauben, dass sich auch die anderen Menschen im Land Gedanken über den Zusammenhalt machen."

More in Common – BEGEGNUNGSRADAR

Treffen Menschen aufeinander, treffen Welten aufeinander, für welche Platz sein muss in den Treffpunkten der Zukunft. In erster Linie braucht es Mut, um aus einer alten Poststelle ein Pop-up-Café zu machen oder dem alten Kiosk von nebenan wieder neues Leben einzuhauchen.

Worauf kommt es bei neuen/alten Treffpunkten an, Kristina?

Kristina: Auf die Menschen vor Ort. Sie wissen, welche Geschichten ein Ort erzählen kann. Und solange es diese Erinnerungen gibt, gibt es eine Seele des Ortes, den es wachzuküssen gilt. Engagierte Menschen vor Ort müssen die Initiative ergreifen und den Stein ins Rollen bringen. Ein*e Bürgermeister*in mit klarem Blick für den Mehrwert lebendiger Treffpunkte ist ebenfalls sehr hilfreich, um einen allen Belangen gerecht werdenden Prozess in Gang zu setzen.

Aus deiner Arbeit als Prozessbegleiterin für das Projekt Alter Treffpunkt – neuer Anstrich hast du sicherlich einen Einblick in die größten Hürden und Chancen beim Revitalisieren von Begegnungsorten bekommen, oder?

Kristina: Von alleine passiert das Revitalisieren nicht. Also ideal ist eine Förderung durch die öffentliche Hand oder andere Träger. Es braucht einen Handlungsrahmen mit Ressourcen. Ehrenamt alleine reicht nicht. Da viele Ansprüche diskutiert werden, ist ein moderierter Weg zu empfehlen, damit alle Erinnerungen (die Vergangenheit) mit neuen Ideen (die Zukunft) zusammen kommen können und das passende Neue bilden. 

Auch Investitionen und Engagement bilden die Grundlage für eine Wiederbelebung. Die baulich-räumliche Situation muss ja auch stimmen. Schöne Gestaltung erfreut das Herz. In gemütlichen und auch zweckmäßigen Räumen können Bedarfe Raum finden. Der Ort muss zum Ort passen, seine Identität finden und weiter Geschichten erzählen.

1. Zukunftscafé in Mossautal Guettersbach im Rahmen des Projektes "Alter Treffpunkt - neuer Anstrich" als Modellprojekt der hessischen Staatskanzlei

Wie gelingt es Räumlichkeiten für alle Generationen wiederzubeleben?

Kristina: In der Partizipation wird immer von der richtigen Ansprache der Zielgruppen als Grundvoraussetzung für das Gelingen von Beteiligung gesprochen. Heißt – wir machen uns zusammen mit den Initiator*innen Gedanken, welche Generation wo im Ort zuhause ist und wie wir diese Zielgruppen am Besten erreichen. Hier kommt es darauf an, Formate zu finden, die zu den Generationen passen. Von Anfang an sollten Vertreter*innen aller Generationen in Gespräche zur Zukunft einbezogen sein. Dann ensteht zu Beginn an ein Prozess der Identifikation, des Miteinanders und der Ort „gehört“ damit auch allen. 

Warum ist Beratung gerade bei diesem Thema so wichtig und notwenig? 

Kristina: Wenn ein Ort schon länger leer steht, dann gibt es häufig auch Ärger, Vermutungen, Gerüchte. Die Verantwortung für die Entwicklung wird hin- und hergeschoben. Es kann sein, dass sich auch Meinungen bilden zu dem, was zu tun sei. Konfliktpotentiale, Konfliktlinien oder schlicht die Vielfalt an Meinungen ist zu koordinieren und zu moderieren. Es gilt, ein Konzept zu finden, dass präventiv den Umgang mit unterschiedlichen Sichtweisen regelt. Aber auch alle anderen Fragen der Organisation, Betrieb und der Kommunikation sind gut zu klären, damit die Gemeinschaft lange Freude hat an dem gemeinsam neuen Treffpunkt.

Spannende Konzepte und Ideen zum Diskurs

Mikropol - DIY Stadtteilzentrum
Leerstand im ländlichen Raum kreativ nutzen
Wir-Dorf als lebendiger Begegnungsort
Freiraumstation - Zwischenraum für Begegnungen

Autorinnen: Anne Cavalier, Kristina Oldenburg

Quellen im Text verlinkt.

Titelbild via Unsplash Paula Schmidt 

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